Exotisch? Durchaus. Aber auch ansprechend. Genauer: unglaublich spannend ist die auf dem Album „Mali in Oak“ festgehaltene Musik. Eine Vermählung der westlichen Gitarre mit der westafrikanischen, gezupft gespielten Stegharfe, der Kora. Überraschend und gleichzeitig anziehend an dieser exotischen Verbindung ist, dass das westliche Instrument, die akustische Gitarre, sich der Spielweise der Kora immer wieder stark nähert, zuweilen gar anpasst, ohne jedoch auf Dauer den Kontrast unter den Tisch fallen zu lassen, der sich aus dem Zusammenspiel und der Natur der unterschiedlichen Instrumente ergibt, damit Musik, eine überaus attraktive, bislang ungehörte Art Musik entsteht.
Und tatsächlich ist Derek Gripper, der klassisch ausgebildete, dem Jazz zugewandte südafrikanische Gitarrist laut John Williams in der Lage, auf seinem Instrument, der zwölfsaitigen Gitarre, das akustische Erscheinungsbild der einundzwanzigsaitigen Kora derart gekonnt zu spiegeln, dass sein Spiel den Geist der Kora durchweht. So weit und tief ist Derek Gripper im Lauf der Jahre in die Welt der Kora eingedrungen, dass er in der westlichen Hemisphäre als ihr Messias gilt. Neben dem Jazz hat er auch die klassische Musikwelt mit dem Korageist infiziert. So hat beispielsweise das auf neue Strömungen in der Musikwelt stets hellhörig reagierende Kronos Quartet Kora-basierte Arrangements von Derek Gripper uraufgeführt.
Der in England geborene Tunde Jegede gibt auf „Mali in Oak“ den virtuosen Harfinisten. Schon als Kind hat er im heimtalichen Mali die Kora spielen und lieben gelernt. Heutzutage ist Tunde Jegede auf dem Gebiet zeitgenössischer klassischer, afrikanischer und popnaher Musik als Komponist und Multiinstrumentalist erfolgreich aktiv. Ebenso wie Derek Gripper ist auch Tunde Jegede dem Jazz zugewandt, so dass die beiden rasch eine gemeinsame Sprache, ja eine hohe Affinität finden konnten, die so stark unterschiedlichen Instrumente Gitarre und Kora auf „Mali in Oak“ in Einklang miteinander zu bringen, um einander und miteinander Geschichten aus Westafrika neu zu erzählen, die dort als Volkslieder unter vielerlei Varianten im Umlauf sind. Gleich im ersten Lied treffen zwei differierende Varianten ein und desselben Volklieds aufeinander und reiben sich rhythmisch und melodisch unter Freisetzung ungeahnter synergetischer Energien. Mehr Einvernahme findet sich im nächsten, der (erfolgreichen) Jagd eines Flusspferds durch einen weißen Jäger am Zusammenfluss zweier Flüsse gewidmeten Song, aber auch im dritten Song „Jarabi“, einem ausführlich improvisierten Traditional. Auf „Miniyamba“ überträgt Derek Gripper angeregt von John Williams das Spiel zweiter Koras auf eine einzige Gitarre, eine Tour de Force, die man eigentlich nicht für möglich hält, die der Gitarrist jedoch überraschend virtuos stemmt, und die Tunde Jegede schießlich um den Beitarg einer echten Kora quasi zum Trio ergänzt. Nach einer Reihe von Solostücken geht es gemeinsam improvisierend dem Ende des Albums zu, dessen spezieller Zauber im Zuhörer noch lange nachklingt und einen grauen in einen hellen, sonnigen Tag verwandelt.
Die Tontechnik zeichnet den Kora-Sound vom Originalinstrument ebenso wie in der Imitation durch die Gitarre liebevoll nach. Besonders empfehlenswert ist die Wiedergabe per Kopfhörer, die einem abgeschirmt von der Umgebung den Zauber dieses Albums noch ein gutes Stück näherbringt.
Tunde Jegede, Kora
Derek Gripper, Gitarre