Man darf wohl davon ausgehen, dass die Gründer einer neuen Band sich bei deren Namensgebung etwas gedacht haben. Warum „Endlos“? Wie kann eine Band, deren Musik oder deren programmatische Ausrichtung endlos sein? Gut, dass es für „endlos“ eine ganze Reihe von Synonymen gibt, die zur Aufklärung beitragen können warum eine Zweimann-Band sich den Namen „Endlos“ gibt. „Uferlos“ dürfte ebenso wenig zur Klärung beitragen wie „unaufhörlich“. Hingegen könnte „unerschöpflich“ als Hinweis auf unbeschränkt fantasievolle Gestaltung musikalischer Einfälle den Weg weisen, den sich die Band Endless vorgenommen hat. Und dies deshalb, weil der Pianist Grégoire Aguilar und der Saxophonist David Haudrechy mit ihrem Erstlingswerk, dem Album „Lost Lake“ in der Tat unkonventionelle Wege der Gestaltung fern dem Mainstream von Jazz und Klassik beschreiten, beide Welten traumwandlerisch sicher, unverkrampft innovativ miteinander vereinigend.
Wie dies von statten geht und wie leicht es dem Hörer fällt, in die von Endless vielfältig aufgespannte Traumwelt einzutauchen vermittelt jeder einzelne der insgesamt elf Titel des Albums, von den neun Titel aus der Feder der beiden Album-Musiker und zwei Titel von keiner Geringeren als der extravaganten Jazz-Pianistin und -Orgelspielerin Carla Bley und dem Filmmusik-Giganten der sechziger Jahre Henry Mancini stammen. Carla Bleys Beitrag zu Lost Lake“ ist die Ballade „Ùtviklingssang“ aus dem Jahr 1980. Nur selten gelingt es Musikern bei der Zweitverwertung eines Stücks aus fremder Feder dieses in dem Sinne zu veredeln, dass es an Aussagekraft gewinnt. Ursprünglich von Umweltprotesten der siebziger Jahre inspiriert lädt die von Endless vorgelegte Version des Carla Bley Stücks dessen emotionalen Gehalt mit Nachdruck auf, ohne es jedoch zu überlasten. Henry Mancinis „Charade“ aus der gleichnamigen Kriminalkomödie von Stanley Donen mit Audrey Hepburn und Cary Grant hebt wie das Original in Art eines Walzers an, verliert jedoch in der Version von Endless zunehmend seinen perfiden Tanzcharakter, um den Hörer ähnlich der genial irreführenden Filmhandlung in die totale Verwirrung zu entführen, bevor der Walzertakt erneut Einzug hält und die überraschende Auflösung der Handlung einläutet. Ein Meisterstück der Abwandlung einer berühmten Vorlage. Henry Mancini hätte das sicherlich gefallen.
Nicht weniger meisterlich gestaltet und virtuos ausgeführt fallen die Eigenkompositionen von Endless aus, deren Spektrum von entspannend bis mitreißend spannend reicht. Nach einer knappen Stunde der Verzauberung durch das Album und der Bewunderung für seine Interpreten wünscht man sich, dass ein weiteres Album der beiden Musiker bald folgen möge zumal die Aufnahmequalität des hochaufgelösten Downloads schlicht exzellent ist. Ganze dicke Empfehlung.
David Haudrechy, Sopransaxophon
Grégoire Aguilar, Klavier