Wir haben wieder einmal Beethoven-Jahr. Dieses Mal zu Ehren des 250. Geburtstages des Komponisten. Das ist Anlass für jauchzenden Jubel in seinem deutschen Herkunftsland. Klassiksender der öffentlichen Radiostationen Deutschlands im Januar stürzen sich schwerpunktmäßig auf die Werke des Meisters und seiner Interpreten bis hin zu Kompositionsbeiträgen von Schülern der Musikklassen der Gymnasien zum Thema Beethoven. Allüberall wird fleißig der Eindruck erweckt, das ganze Land kennt und feiert seinen Bonner Vorzeige-Komponisten. Und zumindest die vier Eingangsnoten Ta-ta-ta-taaa dürften die Meisten schon einmal wahrgenommen haben und sogar LvB zuordnen. Darüber hinaus wird es eher eng und eine Sache einer Konzerte besuchenden Minderheit. Was sicherlich auch auf die fünf Klavierkonzerte Beethovens zutrifft. Erwarten darf man dessen ungeachtet selbstverständlich, dass im Beethovenjahr zumindest eine neue Aufnahme aller fünf Konzerte aufgelegt wird. So geschehen in Gestalt des aktuell auf dem Label der Berliner Philharmoniker mit der japanische Pianistin Mitsuko Uchido und dem ehemaligen Chefdirigenten der Nummer 1 der Hauptstadtorchester erschienenen Album. Zwar ist diese bereits im Februar 2010 live eingefangene und unter anderem als 48 kHz, 24 Bit Download verfügbare Aufnahme mit ihrem Alter von 10 Jahren nicht gerade taufrisch, aber als Dokumentation der Tätigkeit der 2008/2009t als Artist in Residence bei den Berlinern aktiven Pianistin zur Eröffnung des Beethoven-Jahrs willkommen.
Die Berliner Philharmoniker und im Fall dieser Aufnahme vorrangig deren Holzbläser geben, wie nicht anders zu erwarten, durchgehend Anlass zur Freude. Ein derart unglaublich hochrangiges, schönes Orchesterspiel erlebt man nicht überall auf diesem Planeten. Unglaublich harmonisch integriert in diesen orchestralen Klangzauber glänzt und funkelt der Flügel unter den einfühlsamen Händen der Pianistin, die stets technisch beeindruckend extrem sauber agiert. Diesem enorm sensiblen Klavierspiel mit fein ausgearbeiteten Details, zart dahingetupften Läufen und geschmackvollen Rubato zuzuhören ist eine wahre Freude. Die exzellente Aufnahmetechnik sorgt für einen ungestörten Genuss der orchestral ebenso wie pianistisch auf Hochglanz polierten Spielkultur.
Lässt man den Genuss des hier spieltechnisch Gebotenen beiseite, fällt besonders stark in den Kadenzen, aber auch im Zwiegespräch von Klavier und Orchester im langsamen Satz des G-Dur Konzerts mangelndes Eindringen der Pianistin in die Musik Beethovens auf, das anstelle von Emotion erzeugender Spannung Leerlauf zur Folge hat.
Auf Hochglanz polierte Interpretationen der Klavierkonzerte Beethovens ohne nennenswerten Tiefgang, wenn auch nicht auf derart hohem spieltechnischen Niveau wie im Fall der Uchida/Rattle Aufnahme, gehören immer schon in das Handgepäck nicht weniger auch prominenter Pianisten, die in Beethoven eine staatstragende Figur sehen. Beethoven selber sah sich alles andere als staatstragend, nämlich eher als Aufrührer, auf jeden Fall aber als einen Komponisten, der vollen emotionalen Einsatz bei der Widergabe seiner Werke, das möglichst tiefe Eindringen in diese verlangt. Beispiele für Interpretationen, die dies beherzigen, finden sich zum Beispiel in Aufnahmen der Konzerte mit Wilhelm Kempf, Claudio Arrau und dem jungen Leon Fleisher sowie Emil Gilels, die beide vom strengem Dirigat eines George Szell und der schlanken Präzision dessen Cleveland Orchestra profitieren.
Wer allerdings in Beethoven vorrangig klangliche Opulenz und technisch hervorragende Realisierung sucht, liegt mit diesem Album seiner fünf Klavierkonzerte goldrichtig. Was unabhängig davon, wo man dieses Album im Umfeld konkurrierender Alben einordnet, stört, ist die Tatsache, dass auf dem Download zwischen dem letzten Satz jedes Konzerts und dem ersten Satz des jeweils nachfolgenden Konzerts jeweils gerade einmal zwei Sekunden Pause bleiben, so dass man nach dem Schussakkord unfreiwillig unmittelbar in das nächste Konzert stolpert.
Berliner Philharmoniker
Sir Simon Rattle, Dirigent
Mitsuko Uchida, Klavier