Album Info

Album Veröffentlichung:
2022

HRA-Veröffentlichung:
21.10.2022

Das Album enthält Albumcover

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FLAC 44.1 $ 13,20
  • 1Where Is Walter10:15
  • 2Endangered09:02
  • 3Crosswinds09:56
  • 4Italian Circus Story - Intro03:04
  • 5Italian Circus Story12:12
  • 6Back in the Game09:01
  • 7Point of View08:46
  • Total Runtime01:02:16

Info zu The Music of Pilgrim

Eigentlich bringt man den Saxofonisten Christoph Irniger eher mit handlichen Formaten in Verbindung. In Bands wie Pilgrim, Cowboys from Hell, Noir, Counterpoints oder dem Christoph Irniger Trio bevorzugt er kleinere Besetzungen vom Trio bis zum Quintett, in denen er jede Stimme, Intention und Interaktion voll austariert zur Geltung bringt. Umso überraschender ist jetzt die Kompaktheit und Dichte, die er auf seinem Orchester-Debüt „The Music Of Pilgrim“ erlangt. Der Titel mag zunächst verwirren, denn obwohl es sich um Musik von und für Pilgrim handelt, ist es doch kein Pilgrim-Album. Aber dazu später mehr.

Ganz neu ist das Thema Big Band für den Schweizer nicht, denn immerhin war er von 2007 bis 2014 Mitglied im Lucerne Jazz Orchestra. Er weiß also, was er tut und betritt gemeinsam mit dem Swiss Jazz Orchestra dennoch Neuland. Diese Frische und Unvoreingenommenheit, mit der er sich vom Zehn-Meter-Brett ins Big-Band-Bassin fallen lässt, tut dem Album gut. Wie bei so vielen Produktionen der Gegenwart war auch hier die Pandemie Auslöser für etwas Neues. Doch im Gegensatz zu all den Künstlerinnen und Künstlern, die in der Abgeschiedenheit des Wohnzimmerstudios Solo-Projekte in Angriff nahmen, stürzte sich Irniger kopfüber ins ganz große Spektakel. Sattelfest in melodischen und rhythmischen Fragen, nutzte er die Zeit der Gig-Flaute, um sich ausgiebig mit harmonischen Fragen zu beschäftigen und kompositorisch weiterzuentwickeln. Er begann Harmoniefolgen und Arrangements zu schreiben und stieß auf die Philosophie der legendären Power Big Band von Thad Jones und Mel Lewis. Davon ausgehend begann er Kompositionen, die eigentlich für Pilgrim entstanden waren, für eine Großformation neu zu erfinden. Er dachte von Anfang an groß und aalte sich im fulminanten Spektrum der Möglichkeiten einer Big Band. Unumwunden gibt er zu, dass er dabei dem Lustprinzip frönte. Was er selbst hören wollte, setzte er in Noten.

Diese Lust am Spielen übersetzt sich unweigerlich in eine Lust aufs und am Hören. Man spürt die Kraft eines Kolosses, dessen Kessel bis zum Bersten mit großartigen Melodien geheizt wird. Der Druck des unbedingten Erzählenwollens hält den Motor fortwährend in Gang. Man kann gar nicht so schnell hinhören, wie die Ideen fließen. Diese Wollust am Fabulieren und Malen von variablen Klangbildern hat Irniger durchaus von seinen kleinen Bands mitgebracht und in ein unvorhersehbares Spiel mit Spannung und Entspannung übersetzt. „Es ist mir wichtig, originell zu sein“, postuliert er selbstbewusst. „Ich will in meiner Musik hören, dass sie von mir ist. Wenn ich mich dabei ertappe, etwas zu spielen, das ich schon mehrfach gehört habe, packt mich sofort das Bedürfnis, es zu durchbrechen. Damit will ich nicht sagen, dass es das überhaupt noch nicht gibt, aber in meiner Welt muss es zumindest neu sein. Ich schreibe mir die Dinge so, dass ich mich damit herausfordern kann.“

Einen willentlichen Bruch mit seinen bisherigen Projekten sucht Irniger in seiner Zusammenarbeit mit dem Swiss Jazz Orchestra nicht. Im Gegenteil, plötzlich war die Zeit da, etwas auszuprobieren, was er sonst vielleicht nicht in dieser Weise hätte umsetzen können, obwohl es schon lange in ihm gärte. Die Poesie des Unkalkulierbaren springt daher aus jeder einzelnen Note dieses Albums. Der Impuls für dieses Projekt ging gar nicht von Irniger selbst aus, sondern vom Swiss Jazz Orchestra, das den Saxofonisten im November 2020 als Solisten eingeladen hatte. Das Programm stand schon, konnte aber aufgrund des Lockdowns nicht verwirklicht werden. Also griff er sich ein Herz und fragte an, ob man das Konzert nicht mit seiner eigenen Musik nachholen könne. Das Orchester existierte bereits, das Material von Pilgrim war auch schon da. Es bedurfte also nur noch eines Weges, das Eine mit dem Anderen zu synchronisieren. „Ich musste nichts weiter tun, als die abgeschlossenen Stücke nochmal zu öffnen und etwas hinzuzugeben“, resümiert der frisch gebackene Big Band Leader. „Neu war für mich dabei der ganze Zusammenklang der Instrumente. Wie klingt eine Flöte mit einer Trompete? Das muss man ja wissen, denn die Flöte hört man nicht, wenn eine Trompete dabei ist …“

Mit vielen der beteiligten Musiker hat Irniger bereits in anderen Kontexten gearbeitet. Man kennt und schätzt einander. Das Swiss Jazz Orchestra ist ein gut organisierter Klangkörper, der jeden Montag ein neues Programm aufführt. Für Christoph Irniger war dieses Gemeinschaftsprojekt ein Glücksfall, denn alle Musiker gaben sich mit voller Kraft in die Kooperation ein. Egoismen und Allüren blieben vor der Tür. „Ich bin ja eher die kleine Besetzung gewohnt“, rekapituliert Irniger. „Mit 20 Musikern zu arbeiten, ist definitiv eine viel größere Herausforderung. Über das, was ich denke, muss ich reden können. Mit Leuten zu arbeiten, von denen ich nicht weiß, was sie denken, fällt mir schwer. Das SJO hat mit dieser Herausforderung leicht gemacht durch die positive Art, den Spirit, das Commitment und die Tatsache, dass ich eben viele Musiker schon aus anderen Kontexten kenne. Daher war die Arbeit ähnlich entspannt wie in den kleineren Bands, die ich gewohnt bin.“

Am Ende behandelt Irniger die Big Band wie ein großes Instrument. Die Aufnahme entstand live in einem relativ kleinen Raum. Diese physische Kompaktheit ist mit Händen zu greifen. Aus den einzelnen Stimmen ergibt sich ein Klangplasma, bei dem das separate Instrument kaum noch eine Rolle spielt. Im Live-Mix war fast jedes Instrument über jedes andere Mikrofon zu hören. Das war wie eine Lawine, die einmal ins Rollen gekommen, nicht mehr aufzuhalten ist. Eine Veröffentlichung der Aufnahme war deshalb ursprünglich gar nicht geplant, aber als Irniger sich das Ergebnis anhörte, fühlte er sich wie ein Zauberer. Die einmal entfachte Energie ließ ihm gar keine Wahl, als diesen Sound mit dem Rest der Welt zu teilen.

Christoph Irniger und eine Big Band? Klar, was sonst! Mit subtiler Vollpower erfindet der Meister der kleinen Formationen den großformatigen Jazz neu.

Christoph Irniger, Tenorsaxophon, Musikalische Leitung
Swiss Jazz Orchestra




Christoph Irniger
geb. 1979, ist ein Schweizer Saxophonist, Komponist und Bandleader; laut der NZZ am Sonntag zählt er „zweifellos zu den grössten Talenten seiner Generation“. Irniger hat sich in den letzten Jahren in unterschiedlichen Formationen zwischen Jazz, Rock und verwandten Musikstilen profiliert. Als Musiker einer Generation, die viele stilistisch heterogene Projekte verfolgt, betreibt er eine Reihe von Vorhaben, die sehr unterschiedlich und überraschend daherkommen. Jazz N More (CH) schreibt: „Stets schafft er etwas Neues, indem er ausgetretene Soundpfade verlässt. Nicht nur ein wenig links und rechts schaut, sondern sich weit in die Büsche schlägt.“ Als Instrumentalist mit solider Ausbildung und Komponist mit künstlerischen Visionen hat er immer wieder neue Ideen, die er mit seiner Passion für die Musik stets umzusetzen vermag. Jazzthetik (DE) über Irniger: „Leute, die über Jazz Bescheid wissen, werden bestätigen, dass er zu den größten Versprechen gehört, die der zeitgenössische Schweizer Jazz im Moment gibt.“

Irniger ist Leader der Bands Pilgrim (mit Dave Gisler, Stefan Aeby, Raffaele Bossard & Michael Stulz) und seinem Trio (mit Raffaele Bossard & Ziv Ravitz), von welchen bis anhin insgesamt vier Tonträger erschienen sind. Zwei Trio Alben - “Gowanus Canal“ (Intakt Records 2013) und „Octopus“ (Intakt Records, 2015) – sowie zwei Alben von Pilgrim – „Mt. Tongariro“ (Between The Lines, 2011) und „Italian Circus Story“ (Intakt Records, 2014). Letzteres war gleich in drei Bestenlisten 2014, unter anderem im Cadence Magazine (USA). Jazzwise (UK) schrieb darüber: „a homegrown rising young sax star’s quintet!“ Irnigers Debut-Aufnahme „Chat Noir“ erschien 2008 bei Brambus Records.

Irniger liebt Jazz. Sein Spiel ist stark in dieser Tradition verwurzelt und von deren Exponenten beeinflusst. Dabei interpretiert er diese Musik nicht als einen bestimmten Sound oder Inhalt. Viel mehr sieht er es als eine Art und Weise, wie man Musik machen kann. Dazu meint er: „Jazz ist für mich jene Musik, welche die Musik ihrer Zeit verarbeitet. Es geht mehr darum wie man spielt, als was man spielt.“ Die Inspiration schöpft er dabei aus allen Musikstilen wie dem Leben als solchem. Dabei stehen seine Heimat, der Zürichsee, die Berge, die Familie, die Menschen, das Reisen (v.a. New York) und verschiedene Kunstformen im Vordergrund. Sie geben den Inhalt und nähren seine Passion für die Musik. Die Melodie stellt Irniger dabei über alles. Auch in der Dichte und Komplexität, sowie im freien Kontext sucht er den Moment und versucht den Melodielinien der verschiedenen Instrumente Gewicht zu geben. Über seine Kompositionen schreibt der Journalist Peter Haffner: „Die Stücke sind Tondichtungen, die zeigen, dass die eingängige Melodie und eine komplexe Klangwelt einander nicht ausschliessen müssen, sondern erst richtig zur Geltung bringen können.“

Infolge seiner regelmässigen Aufenthalte in Berlin und New York entstanden über die letzten Jahre verschiedene Zusammenarbeiten u.a. mit Nasheet Waits – Noreduce „Jaywalkin’“ (nWog, 2013) – Don Philippe, sowie die Band „Counterpoints“ mit Ohad Talmor, Bänz Oester und Vinnie Sperrazza. Weiter spielte er mit Dave Douglas, Dan Weiss, Nils Wogram, Claudio Puntin, Max Frankl, Stefan Rusconi, Mats Spillmann, Christian Weber, Chris Wiesendanger, Vera Kappeler und war über sieben Jahre Mitglied des Lucerne Jazz Orchestra, mit dem er auch auf vier Aufnahmen zu hören ist. Zudem ist er Co-Leader der Prog-Rock Band „Cowboys from Hell“.

Von 2000 - 2006 studierte Irniger an den Jazzschule Zürich Musikpädagogik und an der Musikhochschule Luzern Performance bei Christoph Grab und Nat Su. In den folgenden Jahren nahm er Unterricht bei Dave Liebman, Mark Turner und Ari Hoenig. Er war Gewinner des Förderpreises 2004 der Friedel Wald Stiftung, erhielt die „borsa di studio“ für Sienajazz 2006 und belegte 2010 mit den “Cowboys from Hell” den 3. Platz beim ZKB Jazzpreis. 2015 – 2017 wird seine Band Pilgrim von der Pro Helvetia prioritär unterstützt. Sein Werk ist bis anhin auf über 20 Tonträgern (5 unter eigenem Namen) dokumentiert. Konzerte und Tourneen führten ihn durch Europa, nach Asien und den USA.

Christoph Irniger ist Initiator der Jazzreihe „Jazz im Seefeld“ und war Mitinitiator des Festivals “Jazzwerkstatt Zürich”. Zudem ist er in der Programmgruppe des Festivals “Unerhört!” und unterrichtet an der Zürcher Hochschule der Künste und der Musikschule Konservatorium Zürich.



Dieses Album enthält kein Booklet

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