Uneasy ist ein ganz besonderes Album unter den zahlreichen besonderen und besonders gelungenen Alben des Labels ECM. Als Trio haben sich Vijay Iyer, Piano, Linda May Han Oh. Kontrabass und Tyshawn Sorey Kontrabass erst vor kurzem zusammengeschlossen. Das Besondere an Uneasy ist der überzeugend frei gestaltete Jazz ebenso wie die hochgradig demokratische Aufstellung des Trios, das auf die herkömmliche Primarius-Stellung des Pianisten zugunsten gleichberechtigtem Bass und Schlagzeug verzichtet, der beiden Trio-Mitglieder, die traditionell eine nachgeordnete Rolle als Rhythmusgruppe im Dreierbund spielen. Diese ungewöhnliche Gleichberechtigung trägt in sich den Keim einer neuartigen Triogestalt, der durch die drei Musiker auf Uneasy aufgegriffen und in einer Weise umgesetzt wird, die über das rein Experimentelle der neuen Gangart hinausgeht.
Im Herbst 2019 vor Beginn der weltweit grassierenden Pandemie im Oktaven Audio Studio, Vermont (New York) aufgenommen spiegelt das Album mit den Stücken „The Children of Flint“ und „Combat Breathing“ Zeitgeschichte wieder. Während die „Children“ den Kindern jenes Arbeiterstädtchens in Michigan gewidmet ist, die Opfer eines Umweltskandals mit verseuchtem Wasser wurden, nimmt „Combat Breathing“ den Rassismus und die Polizeigewalt ins Visier. Dieses Stück, das sich auf die Black-Lives-Matter-Bewegung bezieht, materialisiert sich einleitend vom Piano ausgelöst in in sich kreisenden Bluesthemen, die emotional aufputschend das gesellschaftspolitische Thema dieses Stücks auf den Punkt bringen. Als weiteres Beispiel für die Integration zeitgeschichtlicher Ereignisse ist das Titelstück „Uneasy“, mit dem das Trio die Turbulenz der zurückliegenden Dekade ins Visier nimmt, und das vom Pianisten bereits vor zehn Jahren geschrieben worden ist.
Als Kontrastprogramm gibt es das Cole Porter Stück „Night and Day“, das bereits von Frank Sinatra, Ella Fitzgerald und Erroll Garner, Rod Stewart, aber auch Diana Krall zu Teil mehrfach eingespielt worden ist und das von diesem Trio stark rhythmisiert als robustes Statement neu erfunden wird. Geri Allens „Drummer's Song“ wird, afrikanische Folk-Tradition mit fantasievollem Post-Bop via Groove verbindend, unddie trickreiche Struktur des Originals herausarbeitend gekonnt in Szene gesetzt.
Entspannung und Sinnlichkeit verströmen die auf den Pianisten zurückgehenden Stücke „Touba“, „Augury“ als emotional starkes Soloklavierstück, und „Entrustment“ mit dem Uneasy zu Ende geht. Passend für ein Abschlussstück verströmt dieses die Aura einer Hymne und ist ein Beispiel für hochgradig delikates Klavierspiel mit hell leuchtenden Obertönen und silbrig glänzenden Glissandi.
In der in der Süddeutschen Zeitung erschienen Rezension von Uneasy heißt es zu den Musikern des Trios völlig zurecht: „Bleiben sie zusammen, könnten sie so etwas wie den Thronfolgeanspruch auf das Trio mit Keith Jarrett, Gary Peacock und Jack DeJohnette anmelden, das von den frühen Achtzigerjahren bis zu seiner Auflösung 2014 den Goldstandard für diese Formation bestimmte.“
Vijay Iyer, Klavier
Linda May Han Oh, Kontrabass
Tyshawn Sorey, Schlagzeug