Bei diesem Album geht es nicht um den Blues, der aus dem Mississippi-Delta nach Chicago exportiert und dort unter anderen von Muddy Waters zum Blues an sich gemacht wurde. Es geht aber auch nicht um den originalen Blues des Mississippi-Deltas, sondern um dessen Abwandlung aus Sicht der angrenzenden Hügelbewohner, also um den Blues, der sich in den nördlich vom Delta gelegenen Hügeln als Hill Country Blues festgesetzt hat. Dieser Blues ist ein ganzes Stück einfacher strukturiert, aber auch bodenständiger als der ursprünglich Delta-Blues und als der über Chicago in die Welt getragene Blues. Dieser Blues ist ursprünglich so etwas wie der Blues des armen Mannes aus den Hügeln, des Mannes, der die Hügel niemals verlassen hat, und damit ein ländlicher Blues überwiegend lokaler Verbreitung, der mit dem Blues nicht allzu viel zu tun hat, der sich aus dem Delta auf dem langen Weg in die Großstadt im Nordwesten gemacht hat, um unter urbanem Einfluss das Leben der städtischen Underdogs widerzuspiegeln.
Natürlich blieb es nicht aus, dass der Hill Country Blues bei all seiner lokalen Beharrlichkeit in seiner reinen Form heute nicht mehr existiert. Bereits in der letzten, heute nicht mehr aktiven Musikergeneration ist dieser Blues durch die Integration jeweils aktueller Stilmittel der populären Musik, wie etwa des Boogie und später Rock „moderner“ ja bis zu einem gewissen Grad „frecher“ geworden. Diese bis heute andauernde Wandlung spricht für die Anpassungsfähigkeit und damit die Überlebensfähigkeit dieser Bluesgattung, die ihm eine Verbreitung weit über die Hügelhinaus beschert haben. Dafür sorgen auch die seit nahezu 20 Jahren in unterschiedlicher Besetzung aktiven North Mississippi Allstars, die mit ihrem aktuellen, achten „Prayer for Peace“ eine heftig moderne Variante des Hill Country Blues präsentieren, eine Version, die zum Teil extrem lautstark aufspielend näher am Power Pop ist als am Hill Country Blues ohne ihre Herkunft aus den Hügeln zu verleugnen. Zur Verbundenheit mit den Hügeln gehört auch die Aufnahme zweier Bluesstandards ins neue Album: „You Got to Move”, ein Gospel Standard von Fred McDowell, in bester Soul-Manier abgeliefert von der Sängerin Danielle Nicole und „Long Haired Doney“ der Mississippi Blues Legende R.L. Burnside, in umwerfender Funk-Manier unglaublich packend realisiert. Im Titelstück „Prayer for Peace“ nimmt sich die Band sozialer Themen, wie etwa der Forderung nach Gleichheit drängen vorangetrieben von Bass und Schlagzeug an. Ungeachtet dieses anspruchsvollen Inhalts ist dieser Titel ebenso wie die weiteren gecoverten ebenso wie neu erstellten Titel mitreißend gestaltet und ausgeführt. Dass das in nicht weniger als fünf Studios aufgenommene Album ähnlich einem Liveauftritt einen geschlossenen Eindruck vermittelt ist der Band ebenso zu verdanken wie dem gekonnt agierenden Aufnahme- und Produktionsterminteam.
Immer wieder überrascht auf dem Album „Prayer for Peace“, wie überzeugend es den Mississippi Allstars gelingt, die Tradition des Hill Country Blues mit starken zeitgenössischen Einflüssen zu einem stets frisch tönenden Blues zu verschmelzen, der das Hier und Heute des gesellschaftlichen Lebens in musikalischer Gestalt wiederspiegelt. In diesem Sinne lebt mit den Mississippi Allstars der Blues aus den Hügeln nördlich des Flussdeltas, auch Fans fern den Hügeln ansprechend, in moderner Form weiter.
Luther Dickinson, Gitarre, Lowebow-Gitarre, Gesang
Cody Dickinson, Schlagzeug, Keyboards, elektronisches Washboard, Gesang