Frank Peter Zimmermann ist nicht nur ein ganz hervorragender Geiger, wenn nicht die herausstechende Geigerpersönlichkeit Deutschlands, sondern auch ein streitbarer Künstler, der kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es darum geht, Missstände klar und deutlich aufzuzeigen. Der Süddeutschen Zeitung gab er im Mai 2019 ein Interview, in dem er die unschönen Seiten des Tonträgermarkts aus der Sicht der dort vermarkteten Künstler ungeschminkt anprangert. Das Interview endet mit seiner Ausführung zum zwischenzeitlich aus dem Verkehr gezogenen, ungeniert von der einschlägigen Industrie gesponserten Plattenpreis „Echo“: „Ich habe den Eindruck, dass Preise wie der Echo massiv manipuliert sind. Das ist alles Betrug, bei dem Plattenfirmen miteinander kungeln. Vielleicht fließt da sogar Geld. Das trifft nicht auf alle Preise zu, über den der deutschen Schallplattenkritik zum Beispiel habe ich mich sehr gefreut. Aber meine fünf Echos habe ich inzwischen auf die Müllhalde getragen und persönlich zugeschaut, wie sie zermalmt wurden.“
Es dürfte kaum Wunder nehmen, das dieser streitbare Künstler in Sachen Interpretation von für die Violine erstellten Kompositionen eine klar umrissenes Vorstellungsvermögen einbringt. Folge hiervon sind Gestaltungen, die bei klarer Darstellung in Verbindung mit hoher Musikalität dem Hörer unumstößlich den Eindruck vermitteln, die jeweilige Komposition auf den Punkt zu bringen, eine Interpretation abzuliefern, die durch und durch dem Sujet nicht nur angemessen, sondern final genau richtig ist. Die Virtuosität dient bei diesem Ansatz dem Zweck und ist niemals Selbstzweck.
Wer der Ansicht ist, man solle Interteten nicht derart über den grünen Klee loben soll, der möge sich die drei Kompositionen auf dem neuen Album von Frank Peter Zimmermann anhören, von denen die beiden Martinů-Violinkonzerte eine kongeniale Unterstützung durch die formidablen Bamberger Sinfoniker unter deren tschechischen Chefdirigenten Jakub Hrůša erfahren, der nicht nur seiner Gene wegen zu den gewieftesten Interpreten des tschechischen Komponisten gehören. Beide Konzerte sind für prominente zeitgenössische Geiger des Komponisten in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden. Nachdem Martinů die Anwesenheit des Auftraggebers des ersten Konzerts Samuel Dushkin bei seiner Kompositionsarbeit letztendlich als überaus problematisch erfahren durfte, hat er dem Widmungsträger des zweiten Konzerts Mischa Elman dieses Privileg tunlichst nicht zukommen lassen, zumal geigentechnisch – Martinů war selbst ausgebildeter und praktizierender Geiger – dafür keine Notwendigkeit bestand, die Brahms als Pianist seinerzeit veranlasste, seiner Geigerfreund Joseph Joachim erfolgreich in die Komposition seines Violinkonzerts einzubinden.
Das Album beginnt mit einer mitreißenden Aufführung des bekannteren zweiten Konzerts, bei dem die unruhigen, dissonanten Akkorde des Orchesters vom lyrischeren Beitrag des Solisten betörend sanft konzipiert gebrochen werden. Als Motor dieses Konzerts erweist sich der unwiderstehlichen Fluss der Musik, die auf das Herausstellen der Virtuosität bei allem Anspruch an die Technik des Ausführenden wohlweislich verzichtet. Diese Vorgabe der Komposition findet in Frank Peter Zimmermann den idealen Interpreten, der das Konzert mit souveräner Leichtigkeit abliefert. Das gilt auch für das erste Konzert, das mit seiner eher klassizistischen Sicht mitunter an das kurz davor entstandene einzige Violinkonzert Strawinskis erinnert, jedoch deutlich höhere Ansprüche an die Tech des Solisten stellt.
Als drittes Stück enthält das Album die späte Solosonate von Bartok, die als ausgesprochen spröde gilt und an den Geiger spieltechnisch hohe Anforderungen stellt, die von Frank Peter Zimmermann scheinbar mühelos bewältig werden, der der Sonate ihre klangliche Widerborstigkeit nimmt und durch Eleganz ersetzt, ohne sie jedoch ihres speziellen Charakters zu berauben.
Von den gerade einmal drei aktuell verfügbaren Aufnahmen der beiden Martinů-Violinkonzerte ist dies die rundum überzeugendste, die das Zeug hat, dem bis vor kurzem international nicht allzu sehr beachteten tschechischen Komponisten öfter auf dem Konzertpodien begegnen zu können, wenn diese nach der Corona-Misere wieder zugänglich sein werden.
Frank Peter Zimmermann, Violine
Bamberger Sinfoniker
Jakub Hruša, Dirigent