Schön, dass die fantastische Ella weiterhin en vogue ist. Das hat sie weiß Gott verdient. Nicht wenige halten die US-amerikanische Jazz-Sängerin nach wie vor als unerreichte Ikone des Jazz-Gesangs. Und das sicherlich zurecht. Jetzt also erinnert Verve, ihr bevorzugtes Label an Ella Fitzgerald mit The Lost Berlin Tapes. Ist das nur ein Werbegag? Berlin Tapes gibt es ja als mit einem Grammy ausgezeichneten Mack The Knife: Ella in Berlin von Auftritt in der geteilten Stadt am Valentinstag des Jahres 1960. Ein Jahr später folgte ein unter dem Titel Ella Returns To Berlin ein weiteres Ella-Live-Album. Beide Alben erfreuen sich zahlreichen Wiederveröffentlichungen auf LP, Bandkassette, CD und als Downloads. Das sind jedoch nicht die Lost Tapes vom Berlinauftritt im Berliner Sportpalast der Sängerin vom 25. März 1962, die bis zum Erscheinen des neuen gleichnamigen Albums unveröffentlicht geblieben waren.
Die Bänder zu dem jetzt nach dem Live-Ereignis von 1962, also nach sage und schreibe 61 Jahren erschienen Album The Lost Berlin Tapes stammen aus der Privatsammlung von Ellas Manager Norman Granz und dokumentieren einen sängerisch wahren Höhenflug der in den sechziger Jahren ohnehin schon auf allerhöchsten Niveau agierenden Ella Fitzgerald.
Unterstützt wird Sie während ihres triumphalen Auftritts von ihrem damaligen Stammtrio mit Paul Smith, Klavier, Wilfred Middlebrooks, Bass und Stan Levey am Schlagzeug. Wo sie 1960 den Text zu „Mack The Knife“ vergaß, kennt sie ihn diesmal, vergisst aber den Namen der Stadt, in der sie spielt. Das Publikum lacht über das frank und frei gebotene Geständnis der Sängerin und tobt nach jedem Auftritt. Zu Recht. Beeindruckend ist auch, dass Ella abgesehen von "Mack The Knife" und "Summertime", keinen einzigen Song aus ihrem 1960er Konzert 1962 wiederholt, sondern sogar Songs präsentiert hat, die bis dato nicht zu ihrem Repertoire gehört hatten.
Zu bestaunen gibt es auch auf The Lost Berlin Tapes die einzigartige Kunst von Ella Fitzgerald, zu improvisieren und über fast jeden Text zu scatten. Nicht zuletzt erweist sie sich erneut als Meisterin des Swing. In „ Cheek to Cheek“ brilliert sie mit dem Falsett, einer Stimmlage, die sie normalerweise meidet, die im Berliner Sportpalast das Publikum jedoch von den Stühlen reißt. Bewundernswert ist auch die geschmeidige Stimmführung während dieses Live-Auftritts, die nicht zur Hausmarke der Sängerin gehört und das Publikum in Bann hält.
"Cry Me a River" beginnt mit dem für Ella Fitzgerald typischen, keifenden, wie ein mächtiger Fluss aus ihr herausbrechenden Scatten. Spätestens hier wird deutlich, dass wir es mit einer überaus talentierten Bluessängerin zu tun, die den Blues einzigartig in Swing einbettet. Ihre mitreißende Bühnenpräsenz bahnt sich akustische ihren Weg, wen sie Beginn von „Good Morning Heartache“, herzlich über die Freude des Publikums lacht, das den Song sofort erkennt, und das mit „All right, all right“ quittiert.
Eine ganz dicke Empfehlung für the Lost Berlin Tapes auszusprechen, erübrigt sich.
Ella Fitzgerald, Gesang
Paul Smith, Klavier
Wilfred Middlebrooks, Bass
Stan Levey, Schlagzeug