Die Virtuosität und der Spielwitz des Klarinettisten Eddie Daniels, der in der Klassik gleichermaßen wie im Jazz zuhause ist und der auch am Saxophon seinen Mann steht, steht auch auf seinem ausschließlich Kompositionen von Egberto Gismonti gewidmeten Album außer Frage. Das Album fällt vordergründig durch recht eigenwillige Arrangements auf, die die mitunter ruppige Fusion unterschiedlichster Musikstile eines Egberto Gismontis neu interpretiert, um nicht zu sagen glättet. Warum nicht. So sind die Arrangements der Gismonti-Titel was die Kern-Band mit dem Pianisten Josh Nelson, dem Bassisten Kevin Axt und dem Schlagzeuger Mauricio Zottarelli betrifft, wenn auch mehr oder weniger fern von Gismonti, jedenfalls gekonnt eigentümlich. Warum die Arrangements allerdings durchgehend Streicher in Gestalt des Harlem Quartetts vorsehen, ist dann doch Geschmackssache. Und dies nicht deshalb, weil Streicher im Jazz nicht salonfähig sein können, wenn sie zu den Kompositionen einen ernsthaften Beitrag liefern, der über die unverbindliche Begleitung auf dem Niveau der Bereitstellung rosaroter Wölkchen hinausgeht. Und für genau diesen Zweck kommen die Streicher auf dem Album Heart of Brazil leider in allzu gefälliger Form zum Einsatz. Schade. Ziemlich problematisch. Nur gut, dass der brave Streichersound in der Regel mit niedrigem Pegel aufgezeichnet worden ist.
Nichts desto trotz ist der Streicherunterbau auf Heart of Brazil Geschmacksache, zumal Egberto Gismonti etwa auf seinem eigenen Album Circense von 1980 Streicher massenhaft eingesetzt hatte. Nur halt nicht gar so unverbindlich wie dies auf Eddie Daniels Heart of Brazil der Fall ist. Wenn es einem gelingt, die Streicher auszublenden oder noch besser, wenn man diese gar goutiert, Egberto Gismonti ist laut Booklet von den Arrangements seiner Kompositionen auf Heart of Brazil sehr angetan, hat man an diesem Album dank des instrumentalen Könnens des Klarinettisten seine Freude, dessen Spielwitz gleich mit dem beschwingten ersten Titel „Lôro (Parrot)“ mitreißt. Sehr südamerikanisch stimmungsvoll geht es auf „Água e Vinho (Water and Wine)“ nach einer kurzen Tenorsax-Einleitung durch Eddie Daniels zu. „Ciranda (Folk Dance)” gibt sich als ausgeprägtere Spielwiese für das Saxophon, das Daniels recht wild aufspielend in Folia (Revelry)“ durch seine geliebte Klarinette ersetzt. Afro-brasilianischem beschwingt gehen die Musiker in „Maracatú (Sacred Rhythm)“. In den französischen Impressionismus versetzt findet man sich in „Adágio“, bevor man mit “Tango Nova (New Tango)” typisch südamerikanisch schwungvoll auf das rumänisch eingefärbte Cigana (Gypsy Woman) eingestimmt wird. Für „Trem Noturno (Night Train)“ greift Eddie Daniels ein letztes Mal auf sein Saxophon zurück, das er deutlich erdverbundener spielt als die Klarinette, um danach mit seinen Mitmusikern Heart of Brazil ruhig ausklingen zu lassen.
Heart of Brazil ist ein Fest für Fans des virtuosen, schwungvollen Klarinettenspiels, für das Eddie Daniels seit Jahrzehnten erfolgreich auf den Bühnen der Welt unterwegs ist. Seine instrumentale Begleitband sorgt professionell für die jeweils angemessene Stimmung der Gismonti-Arrangements und das Harlem Quartet verziert die Arrangements durchaus gewöhnungsbedürftig mit Streichersound.
Eddie Daniels, Klarinette, Tenorsaxophon
Josh Nelson, Klavier
Kevin Axt, Bass
Mauricio Zottarelli, Schlagzeug
Harlem Quartet:
Ilmar Gavilán, Violine
Melissa White, Violine
Jamey Amador, Viola
Felix Umansky, Cello