Die fünfzehnte und letzte Sinfonie des Dmitri Schostakowitsch hat bis auf die Beteiligung eines Chors in späteren Sinfonien alle Ingredienzien der vielfarbig schillernden Orchesterwerke Schostakowitschs, von der zu tiefer Trauer fähigen russischen Seele bis zur satirisch Überzeichnung und den Zitaten aus seinen früheren Werken und den Werken anderer Komponisten. Und doch ist diese Sinfonie anders als die anderen sinfonischen Werke des russischen Komponisten, dem über den größten Teil seines Lebens wie anderen seiner komponierenden Landsleute der ehemaligen Sowjetunion unter dem Regime Stalins übel mitgespielt worden war. Die Rede ist von Aufführungsverboten, vor allem aber von psychischem Druck, einschließlich der ständigen Angst, vom Regime zu Tode gebracht zu werden. Zwar war die unmittelbare Gefahr nach dem Tod des Diktators gebannt, das Erlebte belastet jedoch den Rest von Schostakowitschs Leben nachhaltig.
Schon während der Stalinzeit erwies sich die satirische Spiegelung des politischen Geschehens in teils grell instrumentierten, vor allem jedoch stets satirischen Kompositionen – nicht wenige der Schostakowitsch-Sinfonien enthalten einen entsprechend gestalteten Satz – als Mittel, den politischen Druck auf den Komponisten abzuleiten. Mitunter erhält man dabei den Eindruck, dass da dem Despoten mehr oder weniger offen eine Grimasse geschnitten wird. Die satirischen Elemente der 1971 entstandenen fünfzehnten Schostakowitsch-Sinfonie wirken wie ein posthumes Wetterleuchten des Grimassenschneidens, war zu der Zeit Stalin bereits längst Geschichte. Die Lust am Zitieren der Werke anderer Komponisten und eigener Werke ist in der Fünfzehnten ebenfalls ungebrochen. Zu hören bekommt man Zitate aus Rossinis Wilhelm Tell, aus Wagner-Musikdramen und aus früheren Schostakowitsch-Sinfonien. Ungewöhnlich ist das Überwiegen heiterer vor trauriger Stimmung. Als Besonderheit entspricht das Eingangsmotiv des ersten Satzes der Sinfonie der Verschlüsselung des russischen Vornahmens „Sascha“: es-as-c-h-a. Uraufgeführt wurde die Sinfonie im Jahr 1972 durch das All-Unions-Radio und Fernseh-Symphonie- Orchester unter der Leitung seines Sohns Sohn Maxim.
Auf dem aktuellen Album mit der fünfzehnten Schostakowitsch-Sinfonie spielt die Dresdner Philharmonie unter der Leitung seines langjährigen Chefdirigenten Michael Sanderling. In dieser Besetzung liegen zwischenzeitlich sämtliche Sinfonien des russischen Meisters vor, die einzeln in Kombination mit Beethovensinfonien und nun auch ohne die spannenden Querverweise auf Beethoven als Gesamtaufnahme erschienen sind. Sanderling erweist sich als hervorragender Vermittler der Schostakowitsch-Sinfonienwelt, dem es überzeugend gelungen ist, sein Orchester auf einen spezifischen, schlanken und klaren Sound einzuschwören, der diesen Sinfonien hörbar gerechter wird als manche auf klangliche Opulenz ausgerichtete Konkurrenzaufnahme gerecht wird. Bei dem Einverständnis, das offenbar zwischen Dirigent und Orchester bei der Produktion der Schostakowitsch-Sinfonien geherrscht hat, ist zu vermuten, dass das Orchester das Ausscheiden ihres Chefdirigenten wegen der geplanten Kürzung des Orchester-Etats, noch in diesem Jahr als Verlust erleben wird. Schade.
MDR Rundfunkchor Leipzig
Dresdner Philharmonie
Michael Sanderling, Dirigent