Seit nunmehr zwanzig Jahren ist das Doric String Quartet erfolgreich in den Konzertsälen der Musikwelt unterwegs. Die vier Musiker verstehen sich als Herolde der Quartett-Kompositionen ihres 1976 verstorbenen Landsmanns Benjamin Britten. Der geographische Ursprung des Quartetts liegt in der Grafschaft Suffolk, Brittens Heimat. Dort, genauer in der Ortschaft Leiston befindet sich Pro Corda, die nationale Schule für Kammermusiker und Keimzelle des Doric String Quartet. Dieses Ensemble unterscheidet sich von der auf Schönklang ausgerichteten Konkurrenz durch ein geradezu provokant fern vom Schönen positionierten Klangideal, das in Kompositionen akribisch Dissonantes aufspürt und ungeschönt zum Klingen bringt. Durch diesen Ansatz ist das Doric String Quartet gerade für Brittens Quartett-Kompositionen mit seine sich zum Teil heftig aneinander reibenden Akkorden ideal geeignet, die von diesem Quartett ungeschönt präsentiert werden und dadurch die luftige, vom See-Klima Suffolks durchwehte Atmosphäre dieser Kompositionen überzeugend in die Tat umsetzt. Die enorme Dynamik und die Unisono-Aspekte dieser Musik kommen durch den vollen Einsatz dieses englischen Quartetts ungebremst zum Einsatz. Die jeweils knapp 30 Minuten dauernden Quartette Brittens gehören auf diese Weise gespielt zum Spannendsten, was die Quartettliteratur des zwanzigsten Jahrhunderts hergibt.
Die für Streichquartett gesetzten drei Divertimenti Brittens sind auf diesem Album ebenfalls berücksichtigt und wiederum kongenial ausgeführt. Konzipiert als Marsch, Walzer und Burleske treiben diese Divertimenti, als Charakterstücke auf die Spitze, was man landein landaus unter einem Marsch, einem Walzer und einer Burleske versteht, Übertreibungen und schräge Verzerrungen inklusive. Hoher Unterhaltungswert ist garantiert.
Hautnah zugunsten eines analytischen, durchsichtigen Klangbilds aufgenommen ziehen einen diese Britten-Kompositionen in den Bann und lassen einen nicht mehr los, bevor man sie nicht alle in der kongenialen Interpretation durch das Doric String Quartett, Kribbeln im Bauch und über den Rücken laufende Schauer inklusive gehört hat. Bevor man jedoch zum letzten Britten-Quartett auf dem Album, dem Quartett Nr. kommt, gilt es, eine kleinere Portion englischer Musik des siebzehnten Jahrhunderts, die Fantasias Henry Purcells als Hors d’oeuvre zu genießen. Diese vier Stücke werden frei von Vibrato unglaublich frisch, lebendig und in schnellen Passagen beschwingt serviert. So gelangen Klangstrukturen an die Oberfläche, die konventionell schönklingend interpretiert in Bedeutungslosigkeit untergehen. Vor allem aber erklingt Purcell in dieser Interpretation offen, schräg, mitunter geradezu disharmonisch, jedenfalls aber eher kratzbürstig offensiv, denn höfisch zurückhaltend. So wird Purcell zu einem Zeitgenossen von Britten, weshalb es sehr wohl Sinn macht, seine Fantasias in Britten-Streichquartette eingebettet zu präsentieren.
Alben, die man unbedingt besitzen muss, sind gar nicht so häufig. Dieses Album des Doric String Quartet gehört ohne Zweifelunzweifelhaft dazu.
Doric String Quartet