Das Saxophon hat sich derart fest im Jazzrepertoire etabliert, dass man versucht ist, dieses Blasinstrument als ausschließlich für Jazz geeignet zu halten. Dazu kommt, dass das Saxophon seit seiner Erfindung durch den Belgier Adolphe Sax im Jahr 1840 in der Klassikszene ob seines unerhörten Klangfarbenreichtums zwar Begeisterung auslöste, jedoch niemals die Bedeutung seiner „klassischen“ Konkurrenz, der Holzblasinstrumente wie etwa Klarinette und Oboe erlangen konnte. Da half auch die überschäumende Begeisterung eines Hector Berlioz nichts, der spontan eines seiner geistlichen Vokalkompositionen, das „Chant sacré“ für Saxophon arrangierte und mit Adolphe Sax am Bariton-Sax dirigierend aufführte. Und damit war für den Einsatz des Saxophons, das im Laufe der Zeit zahlreiche Varianten gesehen hat, von denen heutzutage noch die Sopran- Tenor- und Baritonvariante eine Rolle spielen, in der klassischen Musik eine Wegmarke gesetzt: Mangels einer ausreichenden Zahl von original für das Saxophon geschriebener Kompositionen müssen Saxophonisten auf Arrangements von Kompositionen zurückgreifen, die ursprünglich für andere Instrumente oder auch für Sänger geschrieben worden sind. Der Bratsche geht es diesbezüglich übrigens nicht viel anders.
Dies trifft mit Einschränkung auch für das Album So French zu, mit dem ursprünglich für zwei Klaviere geschriebenem „Scaramouche“ von Darius Milhaud, mit der ursprünglich für Violine und Orchester geschriebenen „Méditation de Thaïs“ von Jules Massenet und mit den „Les berceaux“ von Gabriel Fauré, die original als klavierbegleitetes Lied konzipiert ist. Dass die restlichen Titel des Albums sämtliche original für Saxophon komponiert worden sind verdanken wir der Saxophonistin Elise Hall, die diese Titel zu Beginn des 20. Jahrhundert vom kommissioniert hatte, nämlich von den französischem Komponisten André Caplet („Impressions d’automne“), Vincent d’Indy („Choral varié“), Georges Sporck („Légende“), Florent Schmitt (noch eine „Légende“) und Claude Debussy (“Rhapsodie”).
In der Klassikszene aktiven Saxophonisten geht es ähnlich wie den original für das Saxophon geschriebene Repertoire: Sie sind regelmäßig nicht vergleichbar prominent wie etwa ihre Oboe, Klarinette oder Horn spielenden solistisch tätigen Bläserkollegen. Das sagt allerdings e nichts über die Qualität der Saxophonisten aus, von denen der 38-jährige Franzose Alexandre Doisy einen Platz ganz vorne in der Phalanx international tätiger Saxophonspieler einnimmt. Mit gerade einmal fünfzehn Jahren wurde er in die musikalische Kaderschmiede, Conservatoire National Supérieur de Musique in Paris aufgenommen. Nach Abschluss seines mit Ehren beendeten Studiums machte er von sich auf den internationalen Podien der Musikwettbewerbe Reden. Erste und zweite Preise wurden ihm ebenso zuerkannt wie der Publikumspreis des 50. Internationalen ARD-Wettbewerbs im Jahr 2001. Seine Partnerin am Klavier auf dem Album So French ist die ebenfalls mit Preisen bekränzte Pianistin Claudine Simon, die vor allem als Kammermusikerin und als Komponistin aktiv ist genreübergreifende Tanz- und Theater-Projekte betreut. Essentiell für So French ist, dass das durch und durch französischer Musik gewidmete Album speziell französische Atmosphäre verbreitet, mit der man eine gewisse Leichtigkeit des Seins ebenso verbindet wie Eleganz der Präsentation und Geist und Witz, kurz Esprit. Und davon haben die beiden Musiker, die wahre Meister Ihres Instruments sind, alles zu bieten, was man sich nur wünschen kann. Ihr Spiel blitzt und funkelt und vermittelt mit jedem Stück Spielfreude pur. Dieses Album verbreitet etwas, was man klassischer Musik nicht allzu häufig zugesteht: gute Laune, die in Milhauds „Scaramouche“ gipfelt. „Scaramouche“ ist Gute-Laune-Musik par excellence, weshalb gilt: „Scaramouche“ vom Album So French einmal am Tag verabreicht und es wird alles gut.
Alexandre Doisy, Saxophon
Claudine Simon, Klavier