Alessandro Quarta - Alessandro Quarta plays Astor Piazzolla

Review Alessandro Quarta - Alessandro Quarta plays Astor Piazzolla

Mit dem Jazz-Gen ist das so eine Sache. Jazz-Musiker haben dieses Gen selbstredend. Wie sich das für ein Gen gehört, kommen Jazz-Musiker bereits mit dieser speziellen Gabe ausgestattet auf die Welt und es kommt spätestens im Laufe der Zeit zur Geltung. Jedenfalls geht ohne diesem speziellen Gen rein gar nichts im Jazz. Nicht viel anders ist es mit dem Klassik-Gen. Man hat es als Musiker oder man hat es nicht. Musiker, die mit beiden Genen ausgestattet sind finden sich äußerst selten. Der große klassische Pianist Gulda gehörte zu dieser Spezies. Was passiert, wenn man von Mutter Natur großzügig exklusiv mit dem Klassik-Gen ausgestattet worden ist und vermeint, sich im Zenit seiner Laufbahn oder auch gerne danach auch im Jazz verwirklichen zu müssen, erleidet entweder Schiffbruch oder macht sich in Jazz-Kreisen lächerlich. Plattenlabel Jazz buchstabierender Klassikmusiker sehen das gerne anders, lässt sich doch dieser offenbare Missstand dank des Rufs des im fremden Revier wildernden, prominenten Klassikmusikers finanziell hübsch nutzen. Umso schöner, dass es auch heute noch Klassikmusiker gibt, denen das Jazz-gen eigen ist. Alessandro Quarta gehört dazu. Als Geiger klassisch ausgebildet und erfolgreich sowohl solistisch als Virtuose wie im Orchestra Sinfonica Arturo Toscanini tätig, gehört zu diesen seltenen Paradiesvögeln. Grenzüberschreitend war er sich nicht zu schade für so prominente Jazz- und Rock- und Popstars wie etwa Carlos Santana, Mark Knopfler, Eros Ramazotti, Boy George, Adriano Celentano, Liza Minnelli, Gianna Nannini, Zucchero, Joe Cocker und Robbie Williams in zweiter Reihe oder als Solist und auch als Arrangeur aktiv zu sein.

Nach seinen beiden erfolgreichen Alben One More Time und Charlot hat er jetzt ein Astor Piazolla gewidmetes Album veröffentlicht, das im süditalienische Lecce aufgenommen und in München abgemischt worden ist. Allein die geniale Aufnahmetechnik rechtfertigt den Kauf dieses Albums, das neben Surround-Formaten auch als zweikanaliger 96 kHz Download im FLAC Format verfügbar ist. Ohne aufgesetzte Effekte bildet die Stereoversion den Aufnahmeraum nahezu fühlbar dreidimensional ab und sorgt für eine Liveatmosphäre wie sie über eine Tonkonserve nur ganz selten so überzeugend rüberkommt. Piazollas Tango Nuova wird bei aller Raffinesse des Arrangements und mitreißendem Rhythmus nicht zuletzt vom Meister selbst gerne in vollfetter Stufe präsentiert. Dass das vollmundig und physisch stabil tönende Akkordeon für diese Sicht auf den Tango verantwortlich ist, wird unmittelbar deutlich, wenn man ihm den von der Geige Alessandro Quartas dominierten, vorrangig filigran gestalteten Piazolla-Tango gegenüberstellt, der sich eines auftrumpfenden Gestus weitgehend enthält. Dafür, dass bei allem feinstofflichen Durchleuchten der Piazolla-Kompositionen der typische Puls des Tangos nicht zu kurz kommt, zeichnen die musikalischen Partner des Geigers verantwortlich, die gleichberechtigt in die Realisierung der elf Titel des Albums eingebunden sind: Giuseppe Magagnino, Piano, Franco Chirivì, Gitarre, Michele Colaci, Kontrabass, und Cristian Martina, Schlagzeug. Für die Souveränität Alessandro Quartas spricht, dass er jederzeit bereit ist, seine Rolle als solistischer Tangogestalter an seine Mitmusiker abzugeben, wie etwa im letzten Titel „Charlot“, in dem Klavier und Akkordeon über eine lange Strecke das Thema Abschied in Wehmut mit Anklängen an Fritz Kreislers Liebesleid alleine zelebrieren, von einer lebensfrohen Tangoeinlage des Geigers nur für kurze Zeit unterbrochen. Klare Sache: Der klassisch ausgebildete Geigenvirtuose Alessandro Quarta besitzt zweifellos das Jazz-Gen. Er und seine Mitspieler lieben die leisen und ganz leisen Töne, was in der Welt des Tangos Seltenheitswert hat, jedoch mehr als eine sympathische, nämlich eine überzeugend eigenständige Variante des Tango Nuova darstellt.

Alessandro Quarta, Violine

Alessandro Quarta - Alessandro Quarta plays Astor Piazzolla

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