Henri Texier – Chance

Review Henri Texier – Chance

Henri Texier darf als Urgestein der französischen Jazz-Szene gelten, ist er dort doch seit den frühen sechziger Jahren aktiv. Bekannt ist der Musiker heutzutage grenzübergreifen vorrangig als Kontrabassist, der auf zahlreichen Festivals live zu erleben war und ist. Dabei übersieht man schon einmal, dass er nicht nur den Bass zupfen kann, sondern ein Multi-Instrumentalist, aber auch ein formidabler Sänger, Orchesterleiter und Komponist ist. Seine Karriere als Bassist begann in Pariser Jazzclubs, in denen er unter anderen mit Bud Powell, Johnny Griffin oder Bill Coleman, Don Cherry und Martial Solal musizierte. In den siebziger Jahren, in denen er seine ersten Alben aufnahm, trat er mit Joachim Kühn und Didier Lockwood auf. In den achtziger Jahre gründete er eine Band, die die den Jazz mit Pop und Weltmusik zusammenführte. Der Saxophonist und Klarinettist Louis Sclavis war damals mit an Bord. Die neunziger Jahre bescherten Henri Texier im Trioverbund mit Louis Sclavis und Aldo Romano einen Höhepunkt seiner auf drei Alben nachverfolgbare Karriere, der ihm Weltruhm einbrachte.

Auf dem aktuellen Album Chance versammelt Henri Texier am Kontrabass an der Klarinette, der Altklarinette und dem Altsaxophon Sébastien Texier, Vincent Lê Quang am Tenor- und Sopransaxophon, Manu Codja an der Gitarre, Gautier Garrigue am Schlagzeug. Eine Besonderheit des Albums: jedes Mitglied des Quintetts hat ein Stück beigetragen, während auf das Konto von Henri Texier als Bandchef mit vier Kompositionen der Löweanteil an Chance fällt. Mit „Cinecitta“ huldigt das Qunitett auf Chance musikalisch dem italienischen Kino der sechziger und siebziger Jahre. Mit „Pina B. - Pour Pina Bausch“ erinnern die fünf Musiker an die Ballettdirektorin des nach ihr benannten Tanztheaters in Wuppertal, die mit ihrer Entwicklung des Tanztheaters eine Kultfigur der internationalen Tanzszene war. Nicht zuletzt verneigen sich die Fünf mit „Simone et Robert - Pour Simone Veil et Robert Badinter“ an die in Frankreich als Nationalheldin gefierte Simone Veil, die die Deportation nach Auschwitz-Birkenau überlebt hat und die von 1974 bis 1979 als französische Gesundheitsministerin 1975 das Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch auf den Weg gebracht hatte. Robert Badinter wird hier als Politiker, Juraprofessor, Anwalt und Autor gedacht, der als Justizminister 1981 die Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich durchsetzte.

Mit „Standing Horse“ hat sich Henri Texier auf Chance ein großartiges Kontrabass-Solo geschaffen, das vor dem das Album beschließenden Titelsong seinen Anspruch als Top-Bassist nachdrücklich unterstreicht. Typisch Texier ist Chance jedoch eine durchweg demokratische Veranstaltung, die auch den Mitspielern Platz bietet sich solistisch zu bewähren.

Bemerkenswert an Chance ist nicht zuletzt, dass Henri Texier mit diesem rundum empfehlenswerten Album seine langjährige Treue zum Label Bleu unterstreicht, hat ihm dieses doch zuverlässig eine Plattform geschaffen, auf der Musiker seinen Vorstellungen vom Jazz ungehindert realisieren konnte und kann.

Henri Texier, Kontrabass
Sébastien Texier, Saxophon, Klarinette
Vincent Lê Quang, Tenorsaxophon
Manu Codjia, Gitarre
Gautier Garrigue, Schlagzeug

Henri Texier – Chance

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